12 mei 2025

Was erwartet Gott von mir?

Geschreven door Reinhold Philipp

Vor gut 10 Jahren, im Jahr 2014, starteten die Remonstranten in den Niederlanden eine Werbekampagne. Das war für viele etwas Neues, denn Kirchen machen so etwas normalerweise nicht und schon gar nicht die Remonstranten, die aus Gründen der Toleranz in Sachen Religion und Glaube ihre Mitmenschen nicht davon überzeugen wollen, dass ihre Kirche die beste ist. Sie wollten nicht missionieren, sondern informieren. Der Gedanke war, dass viele Menschen sich bei den Remonstranten anschließen würden, wenn sie wüssten, dass es diese tolerante und weltoffene Kirche gibt. Die Werbeplakate waren an vielen Bahnhöfen zu sehen mit unter anderem diesen Texten:

Mein Gott traut* auch Schwule (*schenkt ihnen seinen Segen)

Mein Gott hat Humor

Mein Gott zwingt mich zu nichts

Mein Gott ermutigt mich, selbst nachzudenken

Mein Gott glaubt an mich

homohuwelijk
Mijn God gelooft in mij - Remonstranten
Mijn God laat zich niet kennen - Remonstranten

Es wurden Leute gesucht als Modell für die Posterkampagne und ich habe mich sofort angemeldet. Mein Gesicht, zu sehen an den Bahnhöfen im ganzen Land – gibt es eine bessere Gelegenheit, berühmt zu werden? Aber dann dachte ich daran, dass manche Menschen sich schnell provoziert fühlen. Wie würden sie auf die Plakate reagieren? Darum war ich, ehrlich gesagt, ganz froh, dass ich auf den Plakaten sogar von guten Freund*innen nicht erkannt wurde.

Zum Glück habe ich das Ganze unversehrt überstanden und haben sich wegen der Kampagne einige Interessierte bei der Gesamtkirche und in der Gemeinde in Den Haag gemeldet. Nicht die vielen Hunderten oder gar Tausenden, die uns vom teuren Kommunikationsbüro versprochen wurden, aber trotzdem war die Aktion nicht ganz erfolglos. Die Kampagne war kein Erfolg in dem Sinne, dass plötzlich viele Menschen dachten: Ich will auch Remonstrant*in werden. Nur wenige fanden den Weg zu den örtlichen Gemeinden. Aber von den wenigen wurden viele aktiv und setzen sich seitdem mit Begeisterung ein für die neu gefundene Glaubensgemeinschaft.

Die Kampagne war auch ein Erfolg, weil sie das Selbstbewusstsein der Remonstrant*innen stärkte. Plötzlich taten sie etwas, was sie davor nur sehr zögerlich getan hatten: Sie begannen, mit anderen Menschen über ihre Kirche und ihren Glauben zu sprechen.

Mein Gott … macht dies und das. Die Kampagne weckte nicht nur Beifall, sondern viele Emotionen. Viele Menschen waren überrascht, dass die Remonstranten so deutliche Aussagen machten. Wüssten sie wirklich, wer und wie Gott ist? Wie können sie wissen, dass Gott Homosexuellen erlauben würde zu heiraten? Oder dass „er“ Frauen zum Amt in der Kirche zulassen würde? Taten sie eigentlich nicht genau das, was sie den strengeren Gläubigen immer vorwarfen, nämlich genau zu wissen, wer oder wie Gott ist und was „er“ tut?

In der Tat, es ist uns Menschen nicht gegeben, darüber verbindliche Aussagen zu treffen. Letztendlich geht es immer um den eigenen Glauben. Für mich persönlich gilt aber, dass die Worte „Mein Gott“, die in der Werbekampagne benutzt wurden, niebesitzergreifend gemeint sein können, als ob Gott mein Eigentum wäre, als ob ich bestimmen oder feststellen könnte, wie Gott aussieht, wie Gott sich verhält, usw.Für mich will Mein Gott sagen: „Für mich ist Gott wie …, ich erlebe Gott als …“ Remonstrant*innen glauben, dass eine Vielfalt von Stimmen zusammen etwas von dem großen Mysterium ausdrücken können.

Reinhold Philipp ist pfarrer in Den Haag

Over Reinhold Philipp

Reinhold Philipp

Reinhold Philipp is predikant in Den Haag